Ende 1995 kommt es zusätzlich zu einem großen Medienrummel um den Fall Olivia Pilhar (siehe hier). Olivias Leidensweg beginnt im Mai 1995. Bei der Sechsjährigen wird ein Wilms-Tumor festgestellt und eine sofortige Chemotherapie und Operation angeraten.
Die Eltern, Anhänger einer Natur-Bewegung und von dem Schicksalsschlag geschockt, wenden sich an eine Wiener Natur-Ärztin, diese vermittelt sie zu Geerd Ryke Hamer. Er verspricht, was sich die Eltern ersehnen: Das Kind kann heil werden, ohne an einer Therapie leiden zu müssen. Er stellt seine eigene Diagnose: Olivia hätte einen „Verhungerungskonflikt“ (weil ihr das Essen bei der Oma nicht schmeckt) und einen „Fluchtkonflikt“, weil die Familie umgezogen ist. Er rät der Mutter, ihren Beruf aufzugeben, und beim Kind zu bleiben – das würde Olivia heilen (Spiegel 07.08.1995).
Olivias Eltern nehmen auf Hamers Rat das Kind aus dem Krankenhaus. Daraufhin zeigt der behandelnde Onkologe sie beim Jugendamt an und die Behörde entzieht ihnen das Sorgerecht mit der Absicht, das Kind nach medizinischen Standards behandeln zu lassen. Doch sie handelt zögerlich. Inzwischen flieht die Familie – auf Anraten Hamers und mit Hilfe von vier Anhängern der Fiat-Lux-Sekte – nach Kärnten, dann nach München, Mitte Juli in Begleitung Hamers nach Malaga (Spiegel 07.08.1995).
Hier beginnt der Medienrummel um das kranke Mädchen. Hamer nützt die Medienhysterie, um ins Bild und zu Wort zu kommen. Er drängt das kranke Mädchen zu einem Strandspaziergang vor laufender Kamera, um zu demonstrieren, wie „gut“ es ihr gehe und dass seine Methode die bessere sei. Im TV stellen Ärzte Ferndiagnosen und geben Daten des kranken Kindes preis. Nach sieben Wochen Flucht wird die Familie zur Rückkehr nach Österreich bewogen, aber das Tauziehen zwischen Behörden und Eltern geht weiter (Link).
Im August 1995 erreicht Olivias Tumor fast 5 Kilo – nahezu ein Drittel des Körpergewichts. Weil die Schmerzen unerträglich werden und die Gefahr einer Atemlähmung besteht, entschließt sich der amtliche Vormund endlich – gegen den Willen der Eltern – zur medizinischen Versorgung (Spiegel 07.08.1995).
Währenddessen demonstrieren die Eltern gemeinsam mit weiteren Hamer-Fans auf der Straße gegen die „Zwangsmedizin“. Am dritten Tag endlich kann der behandelnde Arzt Olivias Mutter dazu überreden, die Behandlung am Krankenbett des Kindes zu unterstützen. Olivia erhält eine Chemotherapie, bis der Tumor sich so verkleinert hat, dass im September operiert werden kann. Weitere sechs Monate Chemotherapie und Strahlenbehandlung folgen. Ende März 1996 kann Olivia „vorläufig geheilt“ entlassen werden. Seither geht sie in die Schule und führt ein ganz normales Leben. Den Eltern wird das Sorgerecht zurückgegeben, die medizinische Betreuung bleibt aber in Händen des Jugendamtes (Spiegel 07.08.1995).
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